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Schlimmer geht immer

'Wir sind so hoch geflogen und so tief gefallen.' - Peter Maffay

 

Stimmt - ich hatte mich bis zum letzten Tag gegen das AMI gesträubt.

Aber genauso vehement wollte ich zuletzt bis zur letzten Sekunde verhindern, dass es wieder entfernt wird.

 

Ich hatte mich entschieden, an der Studie teilzunehmen, weil ich etwas verändern, etwas verbessern wollte. Für mich und an meiner persönlichen Situation natürlich - aber auch für jene Patienten, die nach mir kommen.

Dafür ist die Studie ja da: um es den Professoren und den übrigen Ärzten zu ermöglichen, aus Erfahrungen zu lernen, um künftige Patienten  (noch) besser versorgen zu können.

 

Vielleicht bin ich auch ein bisschen selbst für meine momentane Situation verantwortlich.

Psychischer Stress ist ja nie gesund und gerade bei der Neurofibromatose sollte man ihn möglichst vermeiden. Aber ich kann mich ja auch nicht nur verstecken und Rentnerin spielen.

Ich wollte vielleicht im letzten Jahr nur ein bisschen viel auf einmal, als ich neben der Studie auch mit meiner Ausbildung begonnen habe..

 

Mein Implantat musste nun letztendlich wieder entfernt werden.

Bei einem kurzen Zwischentermin im Dezember 2018 wurde die Op-Narbe nochmals kontrolliert; damals war alles verheilt.

Dann hatte sich Mitte Januar wieder leichter Schorf gebildet - und während meiner normalen Anpassungswoche Mitte Februar stellten ein Studienarzt und mein Professor fest, dass ich eine Wundheilungsstörung im Bereich des Implantates habe.

Ich hatte also in dem Moment ein erbsengroßes Loch im Kopf..

Nach mehreren Wochen Krankenhausaufenthalt, Antibiotikatherapie und diversen Operationen - bei denen alle Möglichkeiten, das Loch zu verschließen, ohne das Implantat entfernen zu müssen, ausgetestet wurden -, wussten sich die Ärzte am Ende keinen anderen Rat mehr.

Am 18.03.2019 wurde deshalb der Implantatkörper wieder entfernt, die Elektroden wurden lediglich "abgeschnitten" und sind - ohne Funktion - in meinem Kopf verblieben.

 

Man kann es sich nicht recht vorstellen, wenn man persönlich noch nie in einer ähnlichen Situation war.

Man wächst hörend auf, erlebt eine recht unbeschwerte Kindheit.

Dann muss man von einem Moment auf den nächsten erwachsen werden, weil eine Krankheit dies (er)fordert. Man überspringt seine Jugend nahezu komplett.

Man verliert langsam sein Gehör, ist 7 Jahre taub.

Dann, als man die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, bekommt man die Chance, sein Gehör zurück zu gewinnen. 

Nach anfänglicher Freude und Euphorie  ('ich höre wirklich was, es kann nur besser werden!'), erlebt man mehrere Monate voller Pannen, weiterer Operationen,  hörtechnischen Totalausfällen und viel Pech. Man schwankt ständig zwischen Hoffen und Bangen.

Und dann ist da von einem Moment auf den anderen wieder nur Stille.

Alles wieder vorbei.

 

Wenn mich das vergangene Jahr zum wiederholten Male eines gelehrt hat, dann dass mein Lebensweg grundsätzlich überall hin verläuft - nur nicht geradeaus. 

Ich wollte nie eine Ausnahmepatientin sein. Viel mehr wäre ich froh, wenn bei mir einfach mal alles regelrecht verlaufen würde.

 

Ich habe zuletzt wieder viel Zeit in der Klinik verbracht und ich hätte vermutlich auch noch mehr auf mich genommen um zu verhindern, dass ich meine letzte Chance auf das wieder-hören-können endgültig vertan habe.

Umso dankbarer bin ich Prof. Lenarzder eine Sondergenehmigung ausgesprochen hat, die es mir ermöglicht, eine Weile von der Studie zu pausieren und in etwa 2 Jahren ein neues AMI zu bekommen. Danke für viel gute Arbeit und viel Unterstützung. 

Auch dem Team der HNO-Klinik gebührt ein großes Dankeschön für all die Bemühungen und für die stete Sorge um mein Wohlergehen. 

 

Außerdem bin ich stets aufs Neue meinem - ehemaligen und zukünftigen - Ingenieur Kalle dankbar, der mich auch dann in der Klinik besucht, wenn ich 'fachlich' gerade uninteressant bin. Danke für all deine Zeit und für alles, was du 'rundherum' für mich und uns getan hast und künftig tun wirst.

 

Wie immer auch ein dickes Dankeschön an Sabine und Katharina für die tolle Versorgung meiner Katze und meiner Ponys. Und natürlich herzlichen Dank  für eure Freundschaft. 

 

Last but not least bin ich natürlich meinen Eltern sehr dankbar, die, wann immer möglich, an meiner Seite waren und die mir immer wieder auf die Beine geholfen haben. Danke für alle Opfer, die ihr meinetwegen gebracht habt und bringt und für all die bedungungslose Unterstützung. 

 

Auch jenen, die ich nicht explizit erwähnt habe: danke, dass es euch gibt und dass ihr seid, wie ihr seid.

 

"..und wenn ich stolper', dann mit Überzeugung. 

Ich bring' sogar das Chaos durcheinander."