· 

Sieben Jahre ohne

In der Woche vom 09. Juli 2018 war es soweit: Mein AMI wurde zum ersten Mal "richtig" eingeschaltet.

Ich saß also gemeinsam mit meinen Eltern im Büro eines die Studie  betreuenden Ingenieurs und der Sprachprozessor (das "Außenteil" meines Implantates) wurde für erste Tests mit dem PC verkabelt.

Ich habe wirklich wie auf glühenden Kohlen gesessen - dass ich, bedingt durch meine Ertaubung an leichtem Tinnitus leide, hat die Anspannung nicht eben geringer werden lassen.

Da war sie wieder: die Angst, dass ich mit dem AMI die gleiche Erfahrung machen könnte,  wie mit den Cochlea-Implantaten vorher.

Dass ich mir vielleicht wieder alles nur einbilde. Dass ich eigentlich nichts richtiges höre, sondern dass es letztlich wieder nur die Ohrgeräusche bzw. der Tinnitus sind.

Dann wurde die erste Elektrode aktiviert, die Lautstärke ganz langsam höher geschoben... Nein, ich war mir wirklich nicht sicher. Ich habe weiter gezweifelt. Aber dann.. Wart' mal kurz, ich höre was!

Ich habe wirklich was gehört und das nicht nur auf einer Elektrode. Ich konnte sogar auf einer Elektrode hören, die gar nicht zum Hören da ist, sondern zur Tinnitusbehandlung.

Nach 7 Jahren "ohne" war da wirklich was. Nach 7 Jahren konnte ich Abschied von der Gehörlosigkeit nehmen.

 

Montagnachmittags, dienstags und mittwochs wurden weitere Tests gemacht.

Zum Beispiel zur Lautstärke ("Wie laut hörst du den Ton?") und zur Tonhöhenwahrnehmung ("welcher der beiden Töne klingt höher?").

Bei letzterem musste ich häufig raten - einfach, weil mir die "hohen" Töne noch komplett fehlen. Sie werden sich erst im Laufe der Zeit entwickeln, genauso wie das Sprachverstehen.

Donnerstags wurde vormittags die erste "richtige" Einstellung vorgenommen und über Mittag durfte ich dann zum ersten Mal mit dem Sprachprozessor nach draußen.

Statt bloßer "Theorie" im Büro sollte ich das wirkliche Hören testen.

Mein erster Kommentar war "Also jetzt geht das Risiko, dass ich überfahren werde, definitiv gegen Null!".

Ich habe den Straßenverkehr gehört, die Stimmen meiner Eltern und hundert andere Dinge, die ich vorher höchstens über Vibrationen wahrgenommen hatte.

Zwar hat vieles seltsam geklungen, vor allem Stimmen hatten einen starken Nachhall. Und nein, ich konnte zum Beispiel keine Vögel hören. Ich konnte und kann nicht "klar" hören, sprich ich höre (bisher noch) keine differenzierten Töne.

Aber ich konnte etwas hören. Und jedes bisschen ist schon hundertmal mehr, als in den vergangenen Jahren.

Freitags wurde dann noch einmal an der Einstellung gedreht und anschließend konnten wir wieder nach Hause fahren.

 

Die nächste Anpassung steht nun Anfang August auf dem Plan.

Und bis dahin mache ich mir keinen Stress. Ich bin einfach gespannt, was ich jeden Tag so um mich herum höre.

Und ansonsten warte ich ab, wie lange mein Kopf braucht bis er versteht, was das AMI ihm gerade sagen möchte..

 

"Und dann kämpf dich so gut du kannst, jeden Augenblick, Schritt für Schritt, nur nach vorn und nie zurück."