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Glauben Sie mir, da sind Sie gut untergebracht!

"Vielen Menschen in Deutschland ist nicht bekannt, das noch immer Leute gegen ihren Willen in Einrichtungen gezwungen werden. Und wenn die Menschen einmal aus der Gesellschaft erfolgreich ausgegliedert sind, hört man sie auch weniger gut um Hilfe rufen. [...] Trotzdem müssen viele behinderte Menschen gegen ihren Willen dort sein. Lebenslang ohne Aussicht auf Bewährung." - Nancy Poser

 

Ich kann dieser Aussage nur zustimmen, ich hab es selbst erlebt.

Und nein, ich wurde nicht in ein Pflegeheim oder etwas Ähnliches gezwungen.

Man kam viel mehr auf die Idee, dass diverse berufspsychologische Gutachten nicht ausreichen, um festzustellen, ob ich überhaupt für diesen und jenen Beruf geeignet bin.

Deshalb wurde beschlossen, ich solle in ein Berufsbildungswerk. Und ja, im Grunde ist es das Gleiche wie eine Behindertenwerkstatt.

 

"Nun gut", dachte ich mir. "Gehst du eben 4 Wochen da hin und arbeitest in deinem Wunschberuf. Die werden schon sehen, dass du das sehr wohl kannst und dann hast du erst mal Ruhe." - haha. Weit gefehlt.

Es fing schon damit an, dass ich vier Wochen bleiben wollte und das auch mitgeteilt habe.

Hm, nein, Man hat dann über meinen Kopf hinweg entschieden, dass ich bitteschön drei Monate dortbleiben soll.

Denn: "Glauben Sie mir, da sind Sie gut untergebracht!"

Die "Sorge" um mein Wohlergehen in allen Ehren - aber ich weiß durchaus selbst, was gut für mich ist.

Und gegen meinen Willen irgendwo hingeschickt zu werden gehört definitiv nicht dazu..

 

Man darf das nicht falsch verstehen, die Mitarbeiter in diesem Berufsbildungswerk sind sehr nett und auch darauf bedacht, auf die Einschränkungen ihrer "Schüler" einzugehen.

Trotzdem ist es wieder ein Beispiel dafür, dass alle von Inklusion reden, aber die Praxis oft doch nicht klappt.

Sicherlich ist ein solches Berufsbildungswerk gut für junge Menschen, die ihren Weg erst finden müssen. Die ihren Wunschberuf ausprobieren wollen um zu wissen, was auf sie zukommt. Die keine andere Möglichkeit sehen und nur mit Unterstützung in einen Betrieb, in eine Ausbildung kommen.

Alles gut und schön und eben auch wichtig.

Aber ich habe in meiner ganzen Zeit im Berufsbildungswerk nur ganz wenige getroffen, die die Schüler / Teilnehmer einer Maßnahme auch ERNST genommen haben.

Natürlich wissen alle, dass sie auf Beeinträchtigungen Rücksicht nehmen müssen und versuchen eben auch, das nach Kräften umzusetzen.

Aber "Rücksicht nehmen" ist nun mal nicht damit gleichzusetzen, dass man andere respektiert, ernst nimmt und sie als gleichwertig und gleichberechtigt ansieht.

 

"Wenn Sie so begeistert von Behindertenwerkstätten sind, dann gehen Sie doch selbst in eine."